Worum geht es in diesem Artikel?
Ein Großschaden im Maschinenbau stellt sowohl den Versicherungsnehmer als auch den Versicherer vor komplexe Herausforderungen. Maschinen sind in der Regel kostspielige Investitionsgüter und ein Schaden daran kann weitreichende finanzielle Folgen nach sich ziehen – von Produktionsausfällen über hohe Reparaturkosten bis hin zu langfristigen Auswirkungen auf das Unternehmen. Wenn ein solcher Großschaden eintritt und Unstimmigkeiten über die Höhe des Schadens oder die Entschädigung entstehen, greifen häufig sogenannte Sachverständigenverfahren. Dieses Verfahren ist ein wichtiger Mechanismus, um faire und unabhängige Lösungen zu finden.
In diesem Artikel wird erklärt, was ein Sachverständigenverfahren ist, wie es abläuft und welche Rolle es in der Konfliktlösung bei der Schadenregulierung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bei Großschäden im Maschinenbau spielt. Sachverständige führen dabei auf der Seite einer Partei durch das Schadenmanagement.
Was ist ein Sachverständigenverfahren?
Ein Sachverständigenverfahren ist ein festgelegter Streitbeilegungsmechanismus, der oft in Versicherungsverträgen – insbesondere in der Industrieversicherung – vorgesehen ist. Es wird dann eingesetzt, wenn es nach einem Schadenfall zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Schadenhöhe oder die Schadensursache kommt.
Im Maschinenbau, wo Schäden an teuren Maschinen schnell in Millionenhöhe gehen können, sind solche Verfahren besonders wichtig. Versicherungsnehmer und Versicherer können unterschiedliche Auffassungen zur Schadenregulierung haben, also, wie hoch der tatsächliche Schaden ist, welche Kosten ersetzt werden müssen oder ob die Reparaturmaßnahmen angemessen sind. Ein Sachverständigenverfahren hilft bei der Schadenregulierung, diese Differenzen auf sachliche und objektive Weise zu klären und unterstützt ein professionelles Schadenmanagement.
Schadenhöhe: Schadenmanagement, Schadenregulierung
Bei jedem Schaden geht es am Ende um Zeit und Geld. Für das betroffene Unternehmen ist es wichtig, dass deren Verträge mit Kunden trotz des Schadenereignisses eingehalten werden. Gleichzeitig müssen Maschinen neu beschafft oder saniert werden. Die Möglichkeiten hängen sehr von der Schadenhöhe ab.
Ist der festgestellte Versicherungswert zum Beispiel höher als die mit dem Versicherer vereinbarte Versicherungssumme, sind Abzüge die Folge.
Die Anforderungen sind auf der Seite der geschädigten Versicherungsnehmerin an eine „gute“ Regulierung entsprechend „hoch“. Da es bei Großschaden, wie in Bild 1 dargestellt, zwangsläufig um hohe Summen geht, macht das
Sachverständigenverfahren „Sinn“,
wenn es nicht gelingt, dass sich
Versicherer und Versicherungsnehmerin auf einen Sachverständigen einigen.
Ganz wichtig ist auch, dass bei der Ermittlung von Werten (Zeitwert, Verkehrswert, Versicherungswert etc.) bei mehreren Sachverständigengutachten im Maschinenbau (Maschinenschaden)
immer abweichende Ergebnisse herauskommen,
da die Wertermittlung keineswegs so exakt ist, wir einfache Arithmetik. „1+1“ muss bei einer Wertermittlung nicht automatisch gleich 2 sein. Das Ergebnis kann auch 1,9-2,1 lauten. Das wiederum bedeutet, dass bei einer großen zu erwartenden Schadenhöhe, meistens im hohen sechsstelligen Bereich oder im Millionenbereich, auch
erhebliche Abweichungen
zuungunsten der Versichungsnehmerin die Folge sein können. Auch deswegen ist das
Sachverständigenverfahren insbesondere bei einem Großschaden immer zu empfehlen.
Sachverständigenverfahren mit finaler Schadenregulierung: Wann?
Ein Sachverständigenverfahren wird dann relevant, wenn die Verhandlungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer stocken und die Schadenregulierung fern zu sein scheint. Typische Streitpunkte im Maschinenbau sind häufig folgende:
- Höhe des Schadens: Versicherer und Versicherungsnehmer haben unterschiedliche Auffassungen über den Wert (z. B. Versicherungswert, Neuwert, usw.) der beschädigten oder zerstörten Maschinen.
- Wiederherstellungskosten: Die Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten der Maschinen sind umstritten.
- Schadensursache: Es besteht Uneinigkeit darüber, ob die Ursache des Schadens im Versicherungsfall gedeckt ist, z. B. ob es sich um einen versicherten Maschinenschaden oder um Verschleiß handelt.
Wenn eine dieser oder ähnliche Fragen zu Streitigkeiten führt, kann das Sachverständigenverfahren durch eine Partei eingefordert werden, um die Situation hinsichtlich der Schadenregulierung zu klären.
Rechtliche Grundlagen beim Sachverständigenverfahren
Das Sachverständigenverfahren ist im §84 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) und §10 AFB (Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung) gesetzlich geregelt. Hierbei handelt es sich um ein außergerichtliches Verfahren zur Feststellung der Höhe des Schadens. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie und der Versicherer sich auf die Durchführung eines solchen Verfahrens einigen.
Beispiel: Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2010) - Fassung April 2014
In § 10 (Sachverständigenverfahren) ist explizit aufgeführt:
- Feststellung der Schadenhöhe. Der Versicherungsnehmer kann nach Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, dass die Höhe des Schadens in einem Sachverständigenverfahren festgestellt wird. Ein solches Sachverständigenverfahren können Versicherer und Versicherungsnehmer auch gemeinsam vereinbaren.
- Weitere Feststellungen. Das Sachverständigenverfahren kann durch Vereinbarung auf weitere Feststellungen zum Versicherungsfall ausgedehnt werden.
- Verfahren vor Feststellung. Für das Sachverständigenverfahren gilt:
- Jede Partei hat in Textform einen Sachverständigen zu benennen. …
- Der Versicherer darf als Sachverständigen keine Person benennen, die Mitbewerber des Versicherungsnehmers ist oder mit ihm in dauernder Geschäftsverbindung steht; ferner keine Person, die bei Mitbewerbern oder Geschäftspartnern angestellt ist oder mit ihnen in einem ähnlichen Verhältnis steht. …..
Vorteil für Versicherungsnehmerin (Geschädigte)
Im Sachverständigenverfahren kann die geschädigte Partei also besonders sicher sein, dass ein Sachverständiger ihres Vertrauens die Feststellungen des Sachverständigen im Auftrag der Versicherung prüft und sich damit fachlich im Detail auseinandersetzt. Das beeinflusst die Schadenregulierung und steht für professionelleres Schadenmanagement beim Großschaden.
Kosten für Sachverständige
Sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, trägt jede Partei die Kosten ihres Sachverständigen. Die Kosten des Obmannes tragen beide Parteien je zur Hälfte.
Die Kosten des eigenen Parteisachverständigen sind oft mitversichert. Dann kommt ihr Versicherer auch für das Honorar des Sachverständigen Ihres Vertrauen auf.
Ablauf Sachverständigenverfahren
Das Verfahren folgt einem klar strukturierten Prozess, der eine neutrale und objektive Bewertung des Schadens sicherstellen soll.
Benennung der Sachverständigen im Sachverständigenverfahren
Zu Beginn des Verfahrens benennen sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer jeweils einen eigenen Sachverständigen. Diese Experten müssen unabhängig und fachlich qualifiziert sein, um den Schaden objektiv bewerten zu können. Im Idealfall handelt es sich um Spezialisten im Bereich Maschinenbau, die sowohl technisches Know-how als auch versicherungstechnische Expertise besitzen.
Prüfung und Bewertung des Schadens
Die beiden Sachverständigen nehmen anschließend gemeinsam den Schaden auf und analysieren ihn. Dabei kann es um technische Fragen gehen, wie z. B. den Zustand der Maschine vor dem Schadensereignis, die Art und Weise der Beschädigung, und die Optionen für eine Reparatur oder den Austausch.
Die Aufgabe der Sachverständigen ist es, den Schaden auf Grundlage objektiver Fakten zu bewerten und eine Einigung über die Schadenshöhe oder die Ursache herbeizuführen.
Einigung der Sachverständigen im Sachverständigenverfahren
Wenn sich die beiden Sachverständigen einigen, wird ihre Einschätzung für beide Parteien verbindlich. Dies stellt sicher, dass das Ergebnis des Verfahrens fair und transparent ist, da es von neutralen Experten erarbeitet wurde.
Zwei Gutachten oder ein Gemeinschaftsgutachten?
Die beiden Sachverständigen im Sachverständigenverfahren verfassen entweder zwei getrennte Gutachten oder sie können sich auf ein sogenanntes „Gemeinschaftsgutachten“ einigen, wenn sie eng zusammenarbeiten wollen. Im Fall des „Gemeinschaftsgutachtens“, das sehr häufig verfasst wird, wird der Obmann nicht benötigt.
Vorteile des Sachverständigenverfahrens
Das Sachverständigenverfahren ist bei kostenintensiven Großschäden an Maschinen und Anlagen aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung:
- Objektive Schadenbewertung: Bei teuren Großschäden handelt es sich oft um komplexe Schadensszenarien, bei denen es schwierig sein kann, den genauen Umfang und die Höhe der Schäden zu ermitteln. Ein weiterer unabhängiger Sachverständiger auf der Seite der Versicherungsnehmerin verfügt über das Fachwissen und die Erfahrung, um objektiv und genau die Schadenhöhe zu bewerten. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass der Versicherungsnehmer angemessen entschädigt wird.
- Transparenz: Das Sachverständigenverfahren schafft Transparenz im Schadenregulierungsprozess. Es stellt sicher, dass alle Parteien – der Versicherungsnehmer und die Versicherungsgesellschaft – Zugang zu denselben Informationen und Bewertungen haben. Dies minimiert das Risiko von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten über die Schadenhöhe.
- Verhandlungsgrundlage: Das vom Sachverständigen erstellte Gutachten dient als objektive Verhandlungsgrundlage. Sowohl der Versicherungsnehmer als auch die Versicherungsgesellschaft können auf das Gutachten zurückgreifen, um ihre Positionen zu stützen und Verhandlungen über die Schadenregulierung zu führen.
- Streitschlichtung: Bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenhöhe kann das Sachverständigenverfahren als Mittel zur Streitschlichtung dienen. Wenn beide Parteien das Ergebnis des Sachverständigen anerkennen, kann dies dazu beitragen, Konflikte beizulegen, ohne den rechtlichen Weg einschlagen zu müssen.
- Kostenkontrolle: Bei kostenintensiven Schäden ist die genaue Schadenbewertung von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Versicherungsgesellschaft die angemessene Entschädigung zahlt. Ein Sachverständigengutachten hilft, unnötige Kosten oder Unterentschädigungen zu vermeiden.
- Beschleunigte Regulierung: Das Sachverständigenverfahren kann dazu beitragen, die Schadenregulierung zu beschleunigen, indem es eine klare Grundlage für Verhandlungen bietet. Dies ist besonders wichtig, da bei teuren Schäden die Zeit eine wichtige Rolle spielt, um die Geschäftskontinuität wiederherzustellen.
Insgesamt ermöglicht das Sachverständigenverfahren bei teuren Brandschäden sowie Großschäden an Maschinen und Anlagen eine faire und effiziente Schadenregulierung. Es trägt dazu bei, dass der Versicherungsnehmer die angemessene Entschädigung erhält und hilft, Streitigkeiten und Verzögerungen im Regulierungsprozess zu verhindern.
Risiken und Herausforderungen
Trotz der Vorteile gibt es auch Herausforderungen, die mit einem Sachverständigenverfahren verbunden sein können:
- Kosten: Das Verfahren ist oft mit erheblichen Kosten verbunden, da die Sachverständigenhonorare durch die Parteien getragen werden müssen, wenn vertraglich nichts anderes geregelt ist. Es rechnet sich aber beim Großschaden, weil die Sachverständigenhonorare tendenziell „sehr gering“ im Vergleich zur Schadenhöhe sind und es bei der Wertermittlung im Maschinenbau immer Abweichungen bei zwei oder mehr Gutachten zur Schadenhöhe gibt.
- Dauer: Obwohl das Sachverständigenverfahren in der Regel deutlich schneller ist als ein Gerichtsverfahren, kann es in komplizierten Fällen dennoch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis eine Einigung zur Schadenregulierung erzielt wird.
- Unvorhersehbare Ergebnisse: Da die Entscheidung der Sachverständigen bindend ist, besteht das Risiko, dass eine Partei mit dem Ergebnis unzufrieden ist. Es gibt in der Regel keine Möglichkeit, diese Entscheidung anzufechten, außer es werden formale Fehler im Verfahren nachgewiesen.
Fazit
Das Sachverständigenverfahren ist ein bewährtes und häufig eingesetztes Instrument zur Streitbeilegung in der Versicherungsbranche, insbesondere bei Großschäden im Maschinenbau. Es bietet eine objektive, schnelle und fachlich fundierte Schadenregulierung, wenn es zu Differenzen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer kommt. Trotz der möglichen Kosten und Herausforderungen überwiegen die Vorteile, da das Verfahren häufig eine unkomplizierte und faire Einigung ermöglicht, ohne dass langwierige Gerichtsverfahren notwendig sind.
Im Bereich des Maschinenbaus, wo Schäden häufig technisch komplex und finanziell belastend sind, ist das Sachverständigenverfahren eine wertvolle Möglichkeit, Konflikte effizient zu lösen und den Betrieb schnell wiederherzustellen.
Empfehlung:
Das Sachverständigenverfahren dauert durch zwei Sachverständige zeitlich immer etwas länger. Es gibt der geschädigten Versicherungsnehmerin aber die Gewissheit, dass sich zwei Spezialisten mit unterschiedlichen Auftraggebern mit der Thematik auseinandergesetzt haben und bei Uneinigkeit der Obmann über die zu klärenden Restpunkte verbindlich entscheidet.